Im Sommer 2021 tritt die neue Energieeffizienzrichtlinie der EU in Kraft. Sie schreibt höhere Mindestwirkungsgrade für Elektromotoren vor und reduziert die bisherigen Ausnahmen. Das bietet die Chance, die Energiebilanz von Maschinen zu optimieren. Aber kann das schon alles sein? Neben der Betrachtung der einzelnen Komponentenwirkungsgrade, lohnt sich künftig auch der Blick auf die Effizienz des Gesamtsystems. Was die neue Energieeffizienzrichtlinie für die Anwender bedeutet und wie man in Zukunft Effizienz messen sollte, hören Sie im Podcast.
Berlin im Corona-Frühjahr - die Stadt steht weitgehend still. In den Ministerien arbeitet oft nur eine Notbesetzung. Doch die Ruhe trügt. Neben den Krisenstäben von Bund und Ländern, arbeiten viele Ministerielle an einem Konjunkturpaket für die stark getroffene Wirtschaft. Markus Lempp vertritt Danfoss in der Hauptstadt. Er erinnert sich.
Auch hinter ihm liegen anstrengende Wochen, denn er musste oft Schlange stehen, virtuell natürlich. Im digitalen Nachbarraum der Ministerien warteten Zahnärzte, Autobauer und Gastronomen auf die Minister und Staatssekretäre. Jeder wollte etwas vom ersehnten Milliardenförderkuchen abhaben. Das Konjunkturpaket weckte Begehrlichkeiten, doch Lempp forderte immer Investitionen in Technologien für den Klimaschutz.
Grüner Neustart mit Konjunkturpaket
„Wir müssen die Industrieprozesse nachhaltig gestalten und nicht nur eine Industrie fördern“, erklärte Lempp damals und spielte auf die Automobilindustrie an. Das Konjunkturpaket gibt ihm heute recht. „Die Autobauer profitieren aber trotzdem. Der Staat unterstützt die E-Mobilität und moderne Produktionstechnologien, die auf die Klimaziele einzahlen und gleichzeitig die Stückkosten reduzieren. Das bietet insgesamt die Chance, die Energiebilanz von Maschinen zu optimieren.“
„Es ist eine sehr gefährliche Diskussion, wenn wir den Klimaschutz gegen die Wirtschaft ausspielen. Nur wenn beide Themen Berücksichtigung finden, können wir Exportweltmeister bleiben“, findet Markus Lempp, bei Danfoss zuständig für Public Affairs in Berlin und Brüssel. |
Klimaschutz und Konjunkturpaket müssen dabei Hand in Hand gehen, denn sonst drohen milliardenschwere Strafzahlungen für Deutschland, erklärt Lempp. „Es ist eine sehr gefährliche Diskussion, wenn wir den Klimaschutz gegen die Wirtschaft ausspielen. Nur wenn beide Themen Berücksichtigung finden, können wir Exportweltmeister bleiben.“
Und in Brüssel? Etwas enttäuscht waren einige Beobachter, dass nach der Einigung zum Haushalt und zur Corona-Krisen-Bewältigung, einige Klimaschutzthemen von der Agenda gestrichen wurden, „aber die Ziele bleiben dennoch weiterhin bestehen“, so Lempp. Eine nachhaltige, klimafreundliche Wirtschaft wollen viele in der EU. Und für manchen ist das gerade ein echter Perspektivwechsel.
Energieeffizienzrichtlinie der EU setzt den Rahmen
Doch was bedeutet das konkret? Am 1. Juli 2021 tritt die neue EU-Energieeffizienzrichtlinie für Motoren in Kraft. Sie schreibt höhere Anforderungen an die Energieeffizienz von Elektromotoren vor – mit neuen Mindestwirkungsgraden und reduzierten Ausnahmen. Auch Frequenzumrichter sind von der Verschärfung betroffen. Michael Burghardt von Danfoss ist aber entspannt: „Die Unternehmen sind darauf vorbereitet.“
„Wer jetzt schon umsteigt, der kann mit einer Bafa-Förderung rechnen. So oder so, bei einem alten Motor verliert der Anwender rund 10 Prozent Wirkungsgrad; daher rechnet sich über den Strompreis schnell auch eine Neuinvestition“, meint Michael Burghardt, der das Produktmarketing bei Danfoss Drives verantwortet. |
Denn schon heute gibt es Vorgaben: Drehstrom-Asynchron-Motoren von 0,75 bis 375 kW müssen schon jetzt die IE3-Klasse erreichen. Alternativen wie einen Motor mit IE2 und Umrichter zu fahren, fallen dann aber weg. „Wer jetzt schon umsteigt, der kann mit einer Bafa-Förderung rechnen“, erklärt Burghardt. Und rechnet vor: „Anwender können ihre alten Anlagen auch weiterfahren, aber der Aufwand für die Wartung ist hoch und dieser lohnt sich oft nicht, wenn man den Wirkungsgrad betrachtet. Bei einem alten Motor verliert der Anwender rund 10 Prozent Wirkungsgrad; daher rechnet sich über den Strompreis schnell auch eine Neuinvestition.“
Perspektivwechsel: Der Blick aufs System
Aber der Fachmann ist auch skeptisch, denn bei der Betrachtung der Komponenten komme die Branche an eine physikalische Grenze. „Stellen Sie sich vor, sie haben einen Motor mit 100 W und der hat einen Wirkungsgrad von 90 Prozent, dann haben wir 10 W um vielleicht eine neue Wirkungsklasse reinzudrücken und dann noch und noch eine und noch eine. Das macht keinen Sinn. Wir müssen zu einer Systembetrachtung kommen.“ Die Anwender und Maschinenbauer könnten das leisten, aber die Marktüberwachung tut sich schwer. „Die Komponentenwirkungsgrade sind ziemlich ausgereizt. Wir müssen neu, wir müssen in Systemen denken“, unterstreicht Burghardt und gibt damit seinem Kollegen Markus Lempp in Berlin eine Aufgabe für die politische Diskussion mit - noch ein Perspektivwechsel.
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